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Estnische Botschaft Berlin

Moore sind wie Spreewaldgurken – Podiumsdiskussion und Fotoausstellung in Berlin

Estnische Botschaft Berlin

Alle sprechen über Bäume. Dabei speichern Moore – wenn sie intakt sind – weltweit mehr Kohlenstoff als alle Wälder der Erde zusammen. Offenbar haben Moore ein Imageproblem. Das beschäftigt viele an diesem milden Januarabend: Über 90 Expert*innen aus Wissenschaft, Politik und Naturschutz innerhalb der EU sind deswegen heute zur Podiumsdiskussion „Restoring Peatlands for Climate“ in die Estnische Botschaft in Berlin gekommen. Einige haben Notizbücher auf dem Schoß. Sie warten gespannt auf die nun folgenden Vorträge und Podiumsdiskussionen. Zunächst werden sie von Alar Streimann, Botschafter von Estland, herzlich willkommen geheißen.

Was können und müssen wir tun, um intakte Moore zu erhalten und zerstörte Moore zu renaturieren? Was ist nötig, um ihre Leistungsfähigkeit wieder zu aktivieren, um also effektiv und dauerhaft Kohlenstoff der Atmosphäre zu entziehen? Wie kann uns der Ausstieg aus der Torfnutzung gelingen? Und wie lösen wir das Imageproblem von Mooren? Diese Fragen stehen im Mittelpunkt der Veranstaltung, die extrem gut besucht ist. Kaum ein freier Sitzplatz ist mehr zu sehen. Das liegt auch an Dr. Hans Joosten, Professor für Moorkunde und Paläoökologie. Er ist eine echte Koryphäe auf seinem Gebiet. Kaum jemand kann so leidenschaftlich und klug wie er über die faszinierenden Eigenschaften von Mooren und Torf sprechen – ein Thema, bei dem Otto Normalverbraucher*innen eher an Irrlichter, Schlamm und Matsch denken.

Gewürzgurkenwasser bringt’s

Die Atmosphäre ist gespannt und konzentriert, als Prof. Dr. Hans Joosten hinter sich auf ein Glas Spreewaldgurken deutet. Es flackert in seiner Power-Point-Präsentation auf. Joosten erklärt: „Moore sind wie Spreewaldgurken: Wenn man das konservierende Wasser entfernt, verfaulen die organischen Stoffe. Genau so ist das auch mit den Mooren.“ Viele im Publikum wissen um die Problematik, die in diesem Vergleich zum Ausdruck kommt. Wenn Mooren – die effektivsten Kohlenstoffspeicher, die unser Planet zu bieten hat – das Wasser entzogen wird, sie also trockengelegt werden, dann verrottet der oftmals über Jahrtausende abgelagerte Torf. Die Treibhausgase CO2 und N2O entweichen in großen Mengen in die Atmosphäre. Und zwar so viel davon, dass sich unser Klima aufheizt. Weltweit emittieren trockengelegte Moore jährlich Treibhausgase mit der Klimawirkung von zwei Gigatonnen CO2. Indonesien sei dabei der größte Emittent: „Aber, und das wird ganz gerne vergessen, die EU folgt gleich auf Platz zwei“, sagt Joosten.

Genau deswegen arbeiten aktuell neun Partner, darunter der NABU, im LIFE-Projekt „Peat Restore“ dafür, dass elf Moorgebiete in Deutschland, Polen, Litauen, Lettland, und Estland mit einer Gesamtgröße von 5.300 Hektar wiedervernässt werden. Denn das Einmaleins von Paris lautet: Bis zum Jahr 2050 müssen die EU-Länder klimaneutral wirtschaften. Um dieses Ziel zu erreichen, müssen wir 150.000 Quadratkilometer Moorflächen wiedervernässen, also 5.000 Quadratkilometer im Jahr. Joosten versprüht eine unglaubliche Energie. Er treibt zum Handeln an. Seine Botschaft könnte klarer kaum sein: Moore müssen wiedervernässt werden, für das Klima, für das Land, die Menschen, für immer…

Ins Feld gehen und Dialog suchen

Der Optimismus von Joosten wirkt ansteckend, täuscht aber nicht über die tatsächlichen Herausforderungen hinweg, die anstehen, wenn es konkret werden soll. Es geht um Moorschutz im Feld. Wortwörtlich. Denn Hauptursache für die Entwässerung von Mooren ist die intensive Landwirtschaft. Für Landwirt*innen gibt es aktuell kaum ökonomische Anreize, um die Nutzung von Moorböden anzupassen oder einzustellen. Wie soll man sie überzeugen? Jedenfalls nicht mit langen Konzeptpapieren, betont NABU-Präsident Jörg-Andreas Krüger während der ersten Podiumsdiskussion: „Nein, wir müssen in die Regionen gehen und mit den betroffenen Landwirt*innen sprechen, sie im direkten Gespräch von naturverträglichen Alternativen überzeugen“, sagt Krüger. Es gilt, fordert er, das EU-Fördersystem und die veraltete Logik dahinter zu verändern. Das war an den Vertreter der EU-Kommission, Christian Holzleitner, gerichtet. Neben Holzleitner sind noch weitere Vertreter*innen aus der internationalen Politik gekommen, darunter Alda Ozola, die stellvertretende Staatssekretärin im Ministerium für Umweltschutz in Lettland.

Teilnehmer der ersten Diskussionsrunde: Jörg-Andreas Krüger, Alda Ozola, Dr. Hans Joosten, Christian Holzleitner, Sebastian Scholz, v.l.n.r.
Foto: NABU / S.Hennigs

Erkenntnisse des Abends

Kontroversen, die gibt es immer, wenn verschiedene Interessensgruppen aufeinandertreffen und ein so komplexes Thema verhandelt wird. Umso überraschender ist es, wie einig sich Joosten, Krüger, Ozala und Holzleitner, aber auch die Teilnehmer*innen der zweiten Podiumsdiskussion, in vielen zentralen Punkten trotzdem sind.  

Moore sind als Kohlenstoffspeicher heute wichtiger denn je! Moore zu renaturieren ist zwingend erforderlich, um die Pariser Klimaziele einzuhalten. Die Teilnehmer*innen betonen: „Wir haben längst das nötige Wissen und die Methoden, um trockengelegte Moore wiederzuvernässen. Aber das EU-Subventionssystem zur Landnutzung muss dringend geändert werden“. Außerdem brauchen Projekte wie „LIFE Peat Restore“ eine größere Öffentlichkeit, damit mehr Unternehmen nachhaltige Wege zur Landnutzung kennenlernen und, viel wichtiger, diese auch selbst beschreiten.

Nach guten zwei Stunden Input gilt es, die Kernbotschaften des Abends zu sortieren und in echten Naturschutz zu übersetzen. Wenn man das Bild von Joosten noch einmal aufgreift, heißt das für jede*n von uns folgendes: Immer die Gewürzgurken essen, die man aus dem konservierenden und mit Dill und Pfeffer getränkten Wasser fischen kann. Die sind frisch und knackig. Genauso wie wiedervernässte Moore.

Teilnehmer der zweiten Diskussionsrunde: Sebastian Scholz, Dr. Thomas Schmidt, Maria Karus, Dr, Wiktor Kotowski, v.l.n.r.
Foto: NABU / S.Hennigs

Das vollständige Programm finden Sie hier: Restoring Peatlands for Climate